Ermessensgerecht: Verfall dank Denkmalschutz Potsdam-Mittelmark

Verfall dank Denkmalschutz

Klartext Mi 27.02.13 22:15
Verkehrte Welt – Verfall dank Denkmalschutz?

In keinem ostdeutschen Bundesland gibt es so geringe Fördermittel für Baudenkmäler wie in Brandenburg. Umso mehr kommt es auf Privatleute an, die Geld und Mühe investieren, um alte Gebäude zu retten. Man müsste denken, dass sich Behörden über jeden Investor dieser Art freuen und ihm jedwede Unterstützung zukommen lassen. Das jedoch scheint im Landkreis Potsdam-Mittelmark nicht immer so zu sein. Denn nun haben sich Bürgerinnen und Bürger zusammengeschlossen, die sich beim Retten von Denkmalen gegängelt und behindert fühlen – und zwar ausgerechnet von der Denkmalschutzbehörde.

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Baudenkmäler gehören geschützt! Doch im westlichen Brandenburg ist das leichter gesagt, als getan! Zwar gibt es hier viele engagierte Bürger, die sehr gerne alte sanierungsbedürftige Gebäude wieder aufpeppeln möchten. Doch sie stoßen auf Widerstand: Und zwar ausgerechnet bei der Behörde, die für den Schutz von Denkmälern sorgen soll! Andre Kartschall.
Thomas Gandow
„Ich bin Thomas Gandow und ich habe ein Problem.”
Gunhild Haderlein
„Mein Name ist Gunhild Haderlein und ich habe ein Problem.”
Rudi Luther
„Ich habe ein Problem.”
Jutta Seidel
„… Problem.”
Eberhard Seidel
„… ein Problem.”
Thomas Gandow
„… mit der Unteren Denkmalschutzbehörde.”

Was aussieht wie eine Selbsthilfegruppe ist die bundesweit wohl erste Bürgerinitiative gegen eine Denkmalschutzbehörde.

Und zwar die des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Eigentlich hat solch eine Institution die Aufgabe, Denkmale zu schützen und zu erhalten.

Doch das tut sie nicht, sagen ihre Gegner. Sie fühlen sich bevormundet, gegängelt und drangsaliert. Und der Denkmalschutz gerate unter die Räder.

Zum Beispiel bei dieser Dorfkirche in Buckau. Pfarrer Thomas Gandow und seine Frau Ute haben für die Restaurierung jahrelang Spenden gesammelt. Doch bis heute ist nur das Dach gedeckt. In der Kirche ist fast nichts passiert.

Thomas Gandow
„Und das Problem, dass Putz von der Decke hier auf den Altar fällt, ist nicht gelöst. Hier sind …”
Ute Gandow
„… sind schon wieder neue Putzbrocken abgefallen. Ist ja unglaublich. Na, das sind ja ganz schöne Brocken.”

Altar, Decke, Wandmalereien, alles sollte restauriert werden. Doch dann:

Baustopp! Laut Denkmalschutzbehörde war bei den Arbeiten Putz aus dem Mittelalter beschädigt worden. Wie sich später herausstellte, stammte der Mörtel gerade mal aus dem vergangenen Jahrhundert, doch die Baustelle war für fast ein Jahr lahmgelegt. Und nur vier Wochen nachdem die Arbeiten wieder aufgenommen wurden…

… kam der nächste Baustopp. Ein schimmelnder Balken war ausgetauscht worden. Alles fachlich korrekt. Aber es fehlte ein Stempel von der Behörde. Und die ließ alle Arbeiten sofort einstellen – obwohl das Dach gerade abgedeckt war.

Thomas Gandow
„Dann hat es geregnet und gestürmt. Das hat sich ja über zwei Monate hingezogen. Hier sind Pfützen entstanden, hat es natürlich durchgeregnet und zwar kräftig. Und das mitten über unserem wertvollen gotischen Flügelaltar.”

Seitdem steht Thomas Gandows Urteil fest.

Thomas Gandow
„Ich denke, dass das hier Denkmalzerstörung ist, ‘
was die so genannte Denkmalschutzbehörde hier betreibt.”

Ob die Arbeiten irgendwann weitergehen, ist unklar: Denn das Budget ist völlig aufgebraucht. Handwerker, Gerüstbauer und Gutachter mussten schließlich bezahlt werden – auch wenn nicht gebaut werden durfte. Den Gandows bleibt nur das Prinzip Hoffnung.

Ute Gandow
„Die Kirche ist über 800 Jahre alt. Sie hat die Reformation überstanden, sie hat den Dreißigjährigen Krieg überstanden, sie hat Napoleons Truppen überstanden, sie hat den Nationalsozialismus überstanden, den Ersten Weltkrieg, den Zweiten Weltkrieg, die DDR. Und ich hoffe, sie wird auch die Untere Denkmalschutzbehörde überstehen.”

Diese Hoffnung hat Gunhild Haderlein beinahe schon verloren.
Mehr als 300 Jahre alt ist ihr Heim im märkischen Boecke:
ein altes Fachwerkhaus. Die letzten Jahrzehnte war es dem Verfall preis gegeben –
bis sich Gunhild Haderlein in die Beinahe-Ruine verliebte und einen Architekten fand, der sich mit Lehmbauweise auskennt.

Gunhild Haderlein
„Als wir hier her kamen, sah es genau so aus: die Wände kaputt, wenn noch Tapete war, fiel sie von den Wänden. Alles war nass, wie Sie es hier eigentlich sehen, das war der Zustand, mit im nächsten Raum nem großen Sturmschaden, den’s hier gab.”

Das Haus ist zum Teil aus Lehm und Stroh gebaut, alles muss originalgetreu restauriert werden. Das halbe Erdgeschoss ist bereits fertig – nach gerade einmal fünf Monaten Bauzeit.

In dem Tempo wollte sie weiter machen, denn eigentlich hat sie laut Baugenehmigung sechs Jahre Zeit. Doch plötzlich sollte alles ganz schnell gehen.

Sechs Monate Frist setzte ihr die Denkmalschutzbehörde, um eine ganze Reihe von Arbeiten zu erledigen. Sonst drohen Zwangsgelder – tausende Euro.

Gunhild Haderlein
„Also je 1.000 Euro für jeden Balken, den ich da nicht auswechsle. Und hätte ich gewusst, dass das so dringend plötzlich ist, dass ich also dieses Haus sanieren muss in dem zeitlichen Rahmen, dann hätte ich gesagt, dann kaufe ich’s nicht.”
KLARTEXT
„Frage an den Fachmann: Muss man’s denn so schnell machen?”
Jens Schlüter
Architekt und Lehmbaumeister
„Keineswegs. Das Haus steht ja nun schon über 300 Jahre und diese Schäden, die zu sehen sind, sind ja nicht von heute auf morgen entstanden, sondern die haben ein paar Jahrzehnte gebraucht. Und es gibt eigentlich auch keinen Grund, jetzt innerhalb des nächsten halben Jahres sofort diese Holzsachen wieder in Ordnung zu bringen.”

Zumal an dem wertvollen Denkmal bei Temperaturen unter acht Grad plus gar nicht gebaut werden darf.
Bleiben realistisch also eher drei statt sechs Monate.

Warum diese Eile? Warum die Strafandrohungen?
Gernot von Arend, der Chef der Denkmalbehörde, hier links im Bild, gibt uns kein Interview. Schriftlich heißt es lapidar, Zitat:

„Die Zwangsgeldandrohungen sowie die Fristsetzung erfolgten,
weil sie für ermessensgerecht gehalten wurden.”

Diesen Tonfall kennt Gudrun Haderlein nur zu gut.

Gunhild Haderlein
„Ich hab eigentlich nur erlebt, dass ich irgendwelche Bescheide kriege oder darauf verwiesen werde, dass ich dann schriftlich Nachricht kriegen werde.”
KLARTEXT
„Haben Sie denn mal um Beratung gebeten?”
Gunhild Haderlein
„Ja.”
KLARTEXT
„Und was wurde gesagt?”
Gunhild Haderlein
„Wir sind keine Beratungsbehörde.”
KLARTEXT
„Sondern?”
Gunhild Haderlein
„Genehmigungsbehörde. Ja, was soll da machen?”

Experten bestürzt ein solcher Umgang mit privaten Denkmaleigentümern: Hans-Joachim Krekeler, Ausschussvorsitzender für Denkmalpflege bei der Brandenburger Architektenkammer sagt: Gerade in Brandenburg muss man froh sein, wenn überhaupt jemand ein Denkmal kauft.

Hans-Joachim Krekeler
Vorsitzender Denkmalpflegeausschuss
Architektenkammer Brandenburg
„Die Fördermittelausstattung für Denkmaleigentümer ist im Land Brandenburg äußerst gering. Wenn Enthusiasten sich dieser Aufgabe stellen und das dennoch tun, sollte man diesen Enthusiasmus natürlich unterstützen und fördern.”

Beitrag von André Kartschall

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